Technics SL-1300 Tuning
Sleeper goes High End
Mit Sleeper werden in Amerika gerne Vintage HiFi-Geräte bezeichnet, die ein gutes technisches (und natürlich auch klangliches) Potential bieten, aber von Sammlern noch nicht den Status "legendär" erhalten haben. Sie sind oft auch in sehr gutem Zustand noch günstig zu bekommen, weil ihre Besitzer die Qualitäten solcher Teile nicht richtig einschätzen. Der Technics SL-1300 wie er sich auf dem Foto des Prospektes von 1976 präsentiert ist definitiv solch ein unterschätzter Oldie:
Erinnert die Optik irgendwie an die DJ-Legende 1200 MkII? Falsch - umgekehrt! Der SL-1300 war viel früher auf dem Markt und man könnte ihn als den großen Bruder des 1200 bezeichnen. Obwohl eher ein Heimgerät macht sich der 1300 auch als DJ-Laufwerk nicht schlecht, ein 1200 eignet sich dafür aber besser: Beide Modelle haben den gleichen robusten Direktantriebsmotor, der 1200 MkII aber eine "schnelle" Quarzregelung und der 1300 eine "langsame" Servoregelung. Die Abspielautomatik des 1300 kann außerdem DJ's beim schnellen Plattenwechsel stören. Und eigentlich ist ein SL-1300 für den Discoeinsatz auch zu Schade!
Technik und Daten
Beim SL-1300 handelt es sich um ein vollautomatisches, direktangetriebenes Masselaufwerk. Direktangetrieben bedeutet, dass der Antriebsmotor ohne Riemen oder ähnliches den Plattenteller treibt. Technics ist hier noch einen Schritt weitergegangen als andere Hersteller und baut den Läufer des Motors einfach mit 33cm Durchmesser. Die Platte liegt also quasi direkt auf einem Teil des Motors. Bis heute zählt dieser Antrieb zu den Besten, die es gibt. Seine technischen Daten sind wegen der früher geltenden strengeren Messvorschriften auf dem Papier etwas schlechter als bei einigen aktuellen Laufwerken, aber 73 dB Geräuschspannungsabstand sind zum Beispiel besser als die von der Schallplatte herrührenden Fehler und somit über alle Zweifel erhaben.
Die Antriebselektronik ist im Unterschied zu späteren Modellen nicht quarzgesteuert, sondern ein kleiner im Antriebsmotor eingebauter Generator erzeugt eine Spannung, die auf analogem Weg die Plattendrehzahl (33 oder 45 Upm, feineinstellbar) regelt. Dieses Verfahren reagiert gemächlicher als eine Quarzsteuerung. Ob Quarzregelungen allerdings den Klang verderben -wie oft behauptet wird- steht nicht fest. Das ist aber hier nicht Thema, der SL-1300 kommt jedenfalls ohne Quarz aus.
Der Automatikmechanismus des Technics erlaubt nach Vorwahl des Plattendurchmessers auch das mehrfache Abspielen einer Plattenseite (MEMOREPEAT). Er ist während der Wiedergabe komplett abgekoppelt und hat so keinen Einfluss auf den Klang. Die Endabschaltung funktioniert normalerweise problemlos. Wer will kann den Plattenspieler von Hand bedienen. Hierbei stört nur, dass der Lifthebel bei geschlossener Abdeckhaube nicht zugänglich ist - sofern man sie nicht abmontiert hat.
Der S-förmige Tonarm EPA 130 ist sehr hochwertig, aber nicht perfekt geplant und es gibt einiges zu beachten, sonst verschenkt man Klangqualität. Der Arm hat eine effektive Masse von ca. 22 Gramm, ist also keine Ultraleichtkonstruktion. Seine besondere Geometrie ermöglicht auch im inneren Rillenbereich von Schallplatten für einen 9 Zoll Tonarm sehr geringe Abtastverzerrungen. Da er nicht höhenverstellbar ist, sollten in die original Tonabnehmerhalterung nur Systeme mit einer Höhe von 15-18 mm eingebaut werden.
Tipps zum Tonarm
In dem relativ schweren Tonarm arbeiten Tonabnehmer mit sehr weicher Nadelaufhängung nicht unter optimalen Bedingungen, ein Ortofon OM 30 wäre in Bezug auf Bassresonanzen schon mit Vorsicht zu geniesen. Eine leichtere Systemhalterung kann solche Effekte abmildern, das Technics-Original wiegt immerhin 10 Gramm. Viele dynamische Systeme (MC) passen gut zum EPA 130. Nur sehr niederohmige Modelle (empfohlene Last unter 30 Ohm) erfordern eine neue Innenverkabelung im Tonarm. Vorsicht: Nicht alle Firmen, die Kabel umrüsten, arbeiten exakt und der Arm verliert eventuell einen Teil seiner (sehr guten!) Abtastfähigkeit. Verblüffend gut funktionieren Shure V15IV und V15V mit Stabilisator im EPA 130. Die manchmal geschilderten Störungen durch diese Minibürste sind bei Montage im Originalsystemhalter nicht spürbar. Bei der Wahl der Phonokapazität von MM-Eingängen am Verstärker sollten ca. 90 pF der Originalkabel des SL-1300 berücksichtigt werden.
Systeme müssen so eingebaut werden, dass der Abstand Nadelspitze zum angedrückten Gummiring der Halterung 52 mm beträgt. Neben dem richtigen Überhang (ergibt sich mit den genannten 52 mm Abstand, falls die Technics Einstell-Lehre verloren gegangen ist) ist zu beachten, dass das Tonarmrohr im Spielbetrieb möglichst parallel zur Plattenoberfläche liegt (ist mit Originaltellermatte und Systemhalter bei ca 16 mm Systemhöhe der Fall): Die Kardanlager des EPA 130 sind zwar sehr leichtgängig, aber falsch angeordnet! Dadurch ändert sich bei falscher Systemhöhe nicht nur wie bei jedem Tonarm der vertikale Spurwinkel, sondern der EPA 130 führt die Nadel schief durch die Rillen! Das kann beim Hören die räumliche Abbildung verändern.Ob die Tonarmlager in Ordnung sind prüft man so: Bei gezogenem Netzstecker und auf "0" gestelltem ANTISKATE muss der in die Schwebe balancierte EPA 130 sich durch leichtes seitliches Anblasen zur Tellermitte hin in Bewegung setzen. Drückt man ihn im Bereich des "Technics"-Aufdruckes leicht nach unten und lässt los, soll der Arm nach oben, wieder nach unten und erst dann in die Ausgangslage pendeln. Tonarme mit defekten Lagern machen beides nicht und sind leider bei gebrauchten SL-1300 nicht selten, besonders wenn der Plattenspieler von DJ's benutzt wurde oder wenn "Profis" die Tonarmlager nachgestellt haben...
Der Plattenteller
Der Plattenteller mit seinem unverkennbaren und immer wieder nachgeahmten Stroboskop-Rand kann nach Abnehmen der Gummimatte dank der beiden Grifflöcher von der Tellerachse abgezogen werden. Die Achse sollte alle ein oder zwei Jahre mit einem Tropfen des mitgelieferten Spezialöls geschmiert werden. Die Miniflasche reicht für 30 Jahre. Die Unterseite des Plattentellers ist nicht resonanzgedämpft. Wer will kann einen Ring aus Karosseriedämmplatten ausschneiden und den Teller von unten bekleben. Aber schön symmetrisch, sonst kann eine Unwucht entstehen!
Um den Zustand des Achslagers zu testen, misst man die Zeit, die der Plattenteller nach dem Ausschalten bis zum Stillstand weiterläuft. Aus 33 Upm sollten es mindestens 20 Sekunden sein (mit Gummimatte). Frisch geölt und mit aufgelegter Schallplatte sind 25 s ein guter Wert. Messungen mit auf dem Kopf stehendem Plattenteller -das schaltet die Magnetbremse aus- sind unnötig. Die Werte oben sind aussagekräftig genug.
Das Chassis
Die obere Gehäusehälfte besteht aus Metallguss. Eine Plastikwanne mit Gummifüssen schirmt den Antrieb von unten ab. Diese Konstruktion ist der größte Schwachpunkt des SL-1300. Sie kann Vibrationen und lauten Schall nicht zu 100% abschirmen. Deshalb ist es ein absolutes Muss, den Plattenspieler auf einer sehr! massiven Unterlage oder auf einem dicken an die Wand gedübelten Brett aufzustellen. Er sollte außerdem nicht im direkten Abstrahlbereich der Lautsprecher stehen. Von Audio Technica gab es einmal gewichtsabgestimmte Gerätefüße im Zubehörhandel. Vier "2 kg Füsse" statt der original Technics Gummis verbessern die Entkopplung schon merklich. Bei einer Dreipunktaufstellung könnten 4 kg Füsse ganz gut passen. Die waagrechte Ausrichtung des Chassis mit einer Wasserwaage ist durch Einstellvorichtungen bei den AT-Füssen einfach, bei den Originalen muss man Pappe unterschieben, wenn man keine exakt ausgerichtete Aufstellfläche hat.
Wer den Plattenspieler mit Abdeckhaube benutzt, sollte sie in den Scharnieren zusätzlich mit dünnem Schaumstoff einklemmen. Sonst steckt die Haube nur vibrationsfreundlich - locker in ihnen.
Die Motorelektronik
Die Servosteuerung des Motors macht nur selten Probleme. Sie ist mit auch heute noch erhältlichen Teilen diskret aufgebaut. Alterungsanfällig sind allenfalls die vier Einstellregler für die Plattendrehzahl (zwei Feinregler neben dem Stroboscope, zwei zur Grobeinstellung unter dem Plattenteller) und ein paar Elektrolytkondensatoren.
Antriebstest: Den sich drehenden Plattenteller am Rand mit den Zeigefingern von zwei Seiten bis zum Stillstand abbremsen. Nach einer Sekunde loslassen. Er muss von selbst wieder anlaufen und innerhalb von einer Umdrehung seine Sollgeschwindigkeit erreichen.
Tuning
Moderat: Ein guter Kontakt von Schallplatte zum Plattenteller wirkt sich günstig auf die Wiedergabepräzision aus. Schwere Pressungen liegen auf der Originalmatte satt auf, nicht so sorgfältig gepresste Platten "wackeln" aber etwas. Abhilfe schafft hier eine auf die Achse aufgesetzte Plattenklemme. Mächtige Anpressgewichte tun dem Teflon-Tellerlager nicht gut. Es ist zwar auswechselbar, aber eine Plattenklemme vermeidet unnötig hohe Lagerbelastungen. Mit anderen Tellermatten oder Zusatzauflagen kann man experimentieren, solange das die Höheneinstellung des Tonarmrohres nicht durcheinander bringt.
Zur Korrektur schlecht harmonierender Systemhöhen lassen sich Systemhalter von Fremdfirmen einsetzen. Hohe Systeme lassen sich mit einer Hitachi-Headshell betreiben. Halter vom SL-1210 haben die gleiche Höhe wie das Original, koppeln das System aber härter an die Tonarmmasse. Eine sehr hohe Tellermatte lässt sich auch mit einem flachen System ausgleichen. REGA Tonabnehmer haben z.B. eine Höhe von nur ca. 14 mm.
Etwas intensiver: Ein Schönheitsfehler des SL-1300 ist das langsame Driften der Solldrehzahl, bis das Gerät warmgelaufen ist. Hören kann man das wohl nicht, setzt man aber in die Antriebselektronik eine moderne temperaturkompensierte Referenzspannungsquelle ein, ist das Problem gelöst.
Ebenfalls ein Eingriff in die Elektronik: Der Netztrafo lässt sich in ein externes Gehäuse auslagern und über ein Relais vom Plattenspieler aus schalten. In diesem Zug kann man für das Stroboskop eine helle Leuchtdiode -originalgetreu in Orange, nicht in modischem Blau- einbauen. Man kann sie über einen Nullspannungsschalter zünden oder sogar einen 100Hz Quarzgenerator für die Tellerrandbeleuchtung einsetzen. Die Stroboskop-Punkte werden so messerscharf angestrahlt.
(Solche Eingriffe sind sicherheitsrelevant, sollten also nur von Profis vorgenommen werden!)
Extrem: Entfernt man die untere Gehäusehälfte und baut den Automatikmechanismus aus, ist das Resonanzproblem radikal gelöst. Man kann beliebige Dämpferfüsse unterbauen oder eine komplette Zarge mit Sprungfedern zur Entkoppelung neu konstruieren. Fremdtonarme mit 9 oder 10 Zoll Länge lassen sich leicht auf selbst angefertigten Montageplatten in der oberen Chassishälfte sauber montieren. Ein externes Netzteil dazu und man hat ein sehr hochwertiges Unikat geschaffen.
Aber ein original Technics SL-1300 mit leichten Modifikationen klingt ebenfalls superb und sieht auch recht elegant aus, oder nicht?
© Text: Achim Eschhold 3/2005
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